Aus einem tiefen Schlaf erwachte ich langsam, als sich meine Träume auflösten. Ich gähnte, und rappelte mich langsam auf. War schon wieder einmal die Sonne aufgegangen? Hatte ich ein weiteres Mal länger als in den anderen Nächte geschlafen? Wahrscheinlich. Meine Gedanken kreisten.
Seit dem letzten Treffen mit meinen Geschwistern, hockte ich hier und musste mich in Geduld üben. Was wenn ich nicht einmal eine Katze fand? Was wenn auch Moor nicht zurückkommen würde, oder seine Worte in der Welt nichts bringen würde? Ich wusste es nicht, und obwohl ich ihn damals nur aus der Not raus behalten hatte, vermisste ich ihn. Ich vermisste seine Launen, seine Fähigkeiten und seine Gesellschaft. Er war eben doch mein Sohn.
Langsam fuhr ich mir übers Fell, achtete ordentlich darauf dass der graue Glanz nicht verschwamm oder dreckig wirkte. Ich hatte ein ordentliches Auftreten zu haben, wenn ich mich für Katzen einsetzten wollte. Wenn ich sie führen wollte - zumindest wenn ich es schaffte. Ich stand auf, streckte mich kurz und musterte dann kurz meinen kleinen Bau, den ich mir normalerweise mit Moor geteilt hatte. Aber diese Zeit war vorbei. Er war weg, und sein Geruch verblasst. Ich wusste nicht, ob oder wann ich ihn wieder sehen würde. Nicht einmal, ob sein Versprechen halten würde. Ich konnte nur hoffen.
Ich verließ in einem gemächlichen Tempo den Bau, schaute kurz gen Himmel und überlegte dann was ich tun könnte. Ich hatte Hunger, aber noch wollte ich die frische Tagesluft nutzen, um mich in der Gegend umzuschauen. Außerdem würde dies vielleicht meine Laune bessern, und mich von der täglichen Gleichheit ablenken. Ich setzte meinen Weg fort, und ließ meine Pfoten entscheiden, wo ich hinsollte.
- Mikusch's Hof

Ich war müde, meine Augen brannte, doch mein Kopf war gefüllt von neuen Ideen und Plänen. Ich würde es schaffen! Daran glaubte ich.
Ich kehrte in meinen Bau zurück, der etwas verborgen in der Mulde lag und rollte mich auf meinem Schlafplatz zusammen, wo ich rasch in einen tiefen Schlaf fiel.
Meine Träume waren durchwachsen, ich träumte von alten Gedanken, von alten Erinnerungen. Von Vater. Mutter. Von meinen Reisen, und den zahlreichen Abenteuern. Ich hatte viel erlebt und gesehen.

Ich stolperte inzwischen mehr voran, als dass ich ging. Es war vielleicht doch keine so gute Idee gewesen, von den anderen wegzugehen... Allerdings hatte ich schon längst keine Ahnung mehr, wo ich überhaupt war. Neue, unbekannte Gerüche lagen in der Luft, und trotz des Hungerschmerzes in meinem Bauch und die darauffolgende Schwäche, hob ich den Kopf und schnupperte neugierig in die Luft. Es roch eigenartig, irgendwie nach Tieren... Oder was auch immer das war. Jedenfalls knurrte prompt mein Magen, aber ich roch auch etwas anderes. Eine andere Katze! Die Müdigkeit vergessend trabte ich nun etwas schneller und schaute mich staunend um. Hier waren... So viele Löcher! Wofür die wohl gut waren? Und der Himmel war so weit und blau! Mein Blick flog mal hierhin und mal dorthin, und dann zog ein kleines, schillerndes Insekt meine Aufmerksamkeit auf sich. Verspielt jagte ich ihm nach und stolperte dabei über meine eigenen Pfoten.

Ich hatte den Tag verschlafen, und mich auch sonst kaum aus dem Bau bewegt. Dafür war ich zu erschöpft gewesen.
Noch immer verstand ich dies alles nicht, und die Selbstverständlichkeit, die ich noch vor einiger Zeit verspürt hatte, scheinbar verflogen. Die Gedanken quälten mich, als ich langsam wieder aus meinem Schlaf aufwachte. Doch ich verdrängte sie, ich musste es schaffen! Der HimmelClan musste leben, Stärke zeigen! Ich wollte mein Versprechen halten.
Gemächlich fuhr ich mir übers Fell, als mir ein unbekannter Geruch in die Nase stieg und mich zum Anhalten brachte. Was war los? Sofort rappelte ich mich auf, schlüpfte aus dem Bau und sah mich mit einem genauen Blick um.
Ich endeckte eine Katze (Anju), die wohl abgelenkt von etwas schien, und mich scheinbar nicht sah oder ignorierte. Warum war dieses Kätzchen, auf welches ich es einfach schätze, hier?
"Hallo, du!"

Als ich eine Stimme hörte, war das fliegende Tier sofort aus meinem Gedächtnis geflattert und ich drehte mich schwungvoll um - so schwungvoll, dass ich dabei zur Seite kippte. Schnell stand ich wieder auf und hüpfte auf die große Katze (Silhouettenmond) zu. Staunend blickte ich an ihr hoch. "Wahnsinn, hast du hübsche Augen!" miaute ich und schnurrte. "Ich bin Anju, und du?" fragte ich und wischte fröhlich mit meinem Schweif über den Boden. "Hast du etwas zu fressen? Ich hab Hunger!"

Ich kniff meine - hübschen, nach ihrer Aussage - Augen zusammen, und musterte die Kätzin von Oben. Erwartete die Kätzin wirklich, dass ich ihr einfach Beute überließ? Wo kam dieses braune Fellbündel?
"Woher kommst du, Kätzchen?", fragte ich einfach und überhörte ihre Worte. "Und was tust du hier?" Natürlich gehörte dieses Gebiet keiner Katze wirklich, doch hatte ich fest gemeint, dass man meinen Bau in Ruhe lassen würde. Wie es sich gehörte, für anständige Katzen.

Langsam trabte ich näher und drückte schnurrend meine Nase in das Fell der Kätzin. "Ich komme von... Von... Diesem großen Ort, da wo ganz viele Tiere auf zwei Beinen rumlaufen!" Ich schaute sie mit großen Augen an. "Meine Mama sagt, da kommen ganz viele Katzen her. Aber ich weiß nicht mehr, wo ich bin", miaute ich dann und senkte traurig Blick und Schwanz. Dabei fiel mir ein besonders hübscher, kleiner Stein auf und ich fing an, ihn mit meinen Pfoten hin und her zu stupsen.

Ich folgte ihren Bewegungen mit einem vorsichtigen Blick, und versteifte mich, als sie mich berührte. Beim tosenden Wind!, rasch trat ich einige Schritte zurück, und baute mich auf.
"Du meinst einen Zweibeinerort." Zwar war meine Stimme kühl, und meine Haltung abweisend, aber machte ich keinen Ansatz, sie anzugreifen. Es gab schlichtweg keinen Grund - im Moment noch nicht. Ich musterte sie. Hatte sie sich verlaufen? Warum war sie soweit weg von diesem Ort? "Lebst du dort? Hast du dich verlaufen?", fragend sah ich sie an. Ich hielt nicht viel von diesen Orten, und glaubte mich auch nicht daran zu erinnern, dass es einen in der Nähe gegeben hatte. Vielleicht ein paar Sonnenaufgänge entfernt.

Ich merkte zu spät, wie die Wärme des Pelzes verschwand, und schaute auf. Die hübsche Katze war einige Schritte zurückgetreten, und verwirrt folgte ich ihr. Gab es da etwa was zum spielen? Meinen Stein hatte ich bereits wieder vergessen und legte fragend den Kopf schief. "Ja, so haben die anderen das genannt", miaute ich. "Ich habe da gelebt, aber jetzt nicht mehr", sagte ich stolz und plusterte meinen Schwanz auf. "Ich bin ganz weit gelaufen, dann hab ich mich verlaufen und jetzt bin ich hier! Hier ist es schön, so viele funkelnde Fliegetiere!"

Sie folgte mir, und ich seufzte. "Anju, bleib bitte dort stehen, wo du jetzt stehst!", meinte ich knapp, und setzte mich nach einem kurzen Zögern.
"Wie hast du gelebt? Waren deine Eltern bei dir? Und warum bis du gegangen?", hackte ich vorsichtig nach, um mich der Lage zu informieren. Aber es schien sie stolz zu machen, dass sie von dort weggekommen war. War etwas passiert? Kurz überlegte ich, aber schob es letztendlich auf ihre junge Art und Abenteuerlust, die sie zu haben schien. "Verlaufen, sagst du? Möchtest du an einen bestimmten Ort?"

Irritiert folgte ich der Anweisung der Kätzin und blieb stehen. Dann aber folgten meine Augen der Bewegung eines kleinen Käfers und begeistert hüpfte ich auf ihn zu. Dabei war ich unbewusst einen Schritt zur Seite gelaufen und stand nun auf ihrer rechten Seite. "Ich war bei Mama und meinen Schwestern! Als ich endlich rausdurfte, war da aber dieser Kerl... Er meinte er sei mein Vater..." Bei der Erinnerung fing ich plötzlich an zu zittern. "Der gemeine rote Kater hat mich gehauen, und da bin ich weggelaufen", miaute ich und das Zittern verstärkte sich, bis mein ganzer Körper bebte. Ihre nächsten Fragen hörte ich schon gar nicht mehr.

Ich lauschte ihren Worten, und bemerkte ihr Zittern. Hatte sie Angst? Ich wusste es nicht.
Langsam stand ich auf, umrundete sie etwas und musterte sie. "Anju", mein Ton in einer ernsten Stimme. "Anju", wiederholte ich. Vor ihr blieb ich stehen, senkte mein Kopf auf ihre Höhe und musterte sie. "Anju, beruhige dich! Du bist in Sicherheit, glaube mir." Nahe kam ich ihrem Gesicht, doch berührte ich sie niemals. "Steh auf, Anju. Du brauchst keine Angst haben!" Mein Kopf hob sich wieder, sie sollte sich nicht zu sehr an meine Nähe gewöhnen, sie sollte von alleine die Stärke aufbringen, die sie brauchen würde. Ich würde ihr nicht immer zur Seite stehen können.

Langsam ließ das Zittern nach und ich nahm wahr, dass die große Katze meinen Namen mehrfach wiederholte. Mit großen Augen starrte ich sie an, als sie ihr Gesicht ganz nah an meines schob und den Kopf dann wieder hob. Wie von Fäden gezogen erhob ich mich, dann erschütterte ein gewaltiges Schnurren meinen kleinen Körper. "Danke, hübsche Katze", schnurrte ich. "Bin ich hier wirklich sicher? Hier gibt es keinen gemeinen, roten Kater, oder?"

Ein kurzes Lächeln ging über meine Lippen, doch ich nickte. "Es ist niemand außer die und mir hier, versprochen!" Meine Geschwister waren viel zu weit weg, und gingen ihre eigenen Wege. Sie würden uns nicht über den Weg laufen.
"Und nenne mich doch bitte einfach W...-, ich zögerte kurz, "Silhouettenmond." Ich bedachte sie noch kurz mit einem leichten Blick, und wand mich dann ab. "Du sagtest, du hast Hunger?" Ich kannte sie noch immer nicht, doch schien es mir am besten, wenn sie erstmal versorgt wurde. Noch war sie immerhin ein halbes Junges.